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Teil 1

Die Produktperspektive

Christoph Krahl im Gespräch mit Florian Suittenpointner

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Ein typischer Arbeitsmorgen: Rechner hochfahren und erst einmal Termine und E-Mails checken... aber wo ist die Reply-Funktion in Outlook hin? Die war doch immer oben in der Steuerungsleiste. Äh, wo ist DIE eigentlich? Komplett weg! – Dieses Szenario kommt bestimmt einigen bekannt vor. Ein Software-Update hat mal eben so im Hintergrund eine veränderte Benutzeroberfläche installiert. – Schön, also vor dem Mail-Beantworten erst mal die fünf "What's new"-Slides lesen...

Änderungen bringen immer die Gefahr mit sich, dass etwas anders oder, schlimmstenfalls, nicht mehr funktioniert. Aber klar ist auch, dass es ohne Veränderung eben auch keine Weiterentwicklung geben kann.

Bezogen auf unser Lernmanagementsystem cate heißt es abzuwägen, welche Veränderungen wichtig sind und welche Konsequenzen dies für die Benutzung und den Betrieb der Software hat. Dabei ist ebenso wichtig, technisch notwendige Aktualisierungen von inhaltlichen Neuerungen zu unterscheiden. Moderne Software enthält mittlerweile zahlreiche externe Bibliotheken, die ihrerseits auch technischen oder funktionalen Veränderungen unterworfen sind. Speziell bei cate kommt noch hinzu, dass unser LMS auf der Open-Source-Plattform ILIAS aufsetzt. Auch ILIAS besitzt wiederum eine Reihe von Abhängigkeiten zu externen Code-Bibliotheken und hat eigene Release-Zyklen für Updates.

Mit dem kommenden Versionswechsel von cate 7 zu 8 liegt der sprichwörtliche Ball bei uns, dafür zu sorgen, dass der Update-Prozess möglichst reibungsfrei abläuft, dass keine Ausfallzeiten auftreten und Unternehmen und Institutionen mit ihren Nutzer*innen wie gewohnt mit ihrem LMS arbeiten können. Für uns als Software-Unternehmen bietet sich mit einem Versionswechsel oder Update auch immer die Chance, technisch notwendige Änderungen mit funktionalen Verbesserungen zu kombinieren, damit sich unsere Lernmanagementplattform cate noch besser an die Anwendungsszenarien für digitales Bildungsmanagement im Corporate Learning von Unternehmen anpassen kann.

Für die neue Version 8 von cate geht es zum einen darum, aus der Anwendungspraxis und den daraus abgeleiteten Anforderungen unserer Kunden zu lernen und Lösungen für wiederkehrende Probleme zu entwickeln. Zum anderen war es uns wichtig, Funktionen zu entwerfen und zu implementieren, die dabei helfen, komplexe Szenarien zu vereinfachen und Prozessabläufe besser zu unterstützen. Als UX-Designer war ich an einigen Stellen an den Entwicklungsprozessen beteiligt, vor allem wenn es um das Erkennen von Nutzungsproblemen und um Optimierungen in der Bedienbarkeit ging. Für den ersten Teil unseres kleinen Web-Specials zum Release 8 von cate habe ich mich mit unserem cate-Produktmanager Florian Suittenpointner getroffen, um zu erfahren, wie die Planung und internen Prozesse für so ein neues Release abgelaufen sind.

Die Antwort auf meine Eingangsfrage, ob es für die neue Version 8 von cate neben den zahlreichen Verbesserungen ein übergreifendes Thema oder einen Leitgedanken gab, kommt ziemlich direkt. Florian erzählt mir, dass es schon in der Frühphase strategische Überlegungen gab, mit cate 8 die Perspektive von Führungskräften in kleinen und mittelständischen Unternehmen zu stärken und hier die Steuerungsmöglichkeiten für die interne Bildungsorganisation zu verbessern. Ein Kerngedanke war, bei der Abbildung von Führungskräfte-Mitarbeiter-Beziehungen den Konfigurationsaufwand gering zu halten und wenig Komplexität einzuführen. Dies soll vor allem kleineren Unternehmen helfen, die auch bei geringen Weiterbildungsbudgets und wenig personellen Ressourcen leistungsfähige Tools benötigen, die wenig Aufwände erzeugen und einfach in der Bedienung sind. Florian erzählt, dass gerade in KMU Weiterbildung häufig mitarbeitergesteuert stattfindet, während in großen Unternehmen der Trainingsbedarf oft automatisch nach Schlüsseln zugewiesen wird. Auch mitarbeitergesteuerte Weiterbildung bedarf allerdings einer gewissen Aufsicht und dafür muss ein System wie cate wissen, wer wessen Vorgesetzte*r ist. Hier bietet das System mit dem neuen Tool eine Möglichkeit, auch ohne umfangreiche Schulung Führungskräfte im System anzulegen und ihnen Mitarbeitende mit einem Klick zuzuordnen. Wird die Führungskraft im System entfernt, müssen umgekehrt auch alle Verknüpfungen zu Mitarbeitenden automatisch gelöscht werden. Eine Neuzuordnung muss schnell und einfach möglich sein.

Ich frage Florian weiter, ob der Aufbau solcher Organisationsstrukturen nicht auch schon in vorherigen Versionen von cate möglich war bzw. was die konkreten Neuerungen für Führungskräfte und Administratoren bedeuten. Florian bestätigt, dass es im Grunde genommen auch schon vorher möglich war, aber der Aufbau solcher Organisationseinheiten und Positionen eine ziemlich komplexe Angelegenheit darstelle. Das hätte für Unternehmen einen höheren und damit auch kostenintensiven Schulungsbedarf nach sich gezogen. Solche Budgets stehen in KMU aber häufig gar nicht zur Verfügung. Hier setzten unsere Produktvarianten "Light" und "Standard" an, die preislich und funktional auf KMUs ausgelegt sind und die vor allem von dieser Vereinfachung profitieren.

Ergänzt wird der inhaltliche Schwerpunkt über die Unterstützung von Führungskräften in KMU durch ein neuartiges Dashboard, mit dem in cate 8 Aufgaben im Bildungscontrolling besser zu erledigen sind. Florian erklärt, dass der Ausgangsgedanke hinter der Konzeption und Entwicklung war, Führungskräften über das Dashboard einen schnellen und übersichtlichen Zugang zu zentralen Status-Informationen der eigenen Mitarbeiter*innen zu geben. Das Dashboard liefert dabei Kennzahlen über das Weiterbildungsgeschehen und stellt diese übersichtlich und gut zugänglich dar. Über Filter lassen sich Zeiträume angeben, die dargestellt werden sollen und über zusätzliche Absprungpunkte gelangt man schnell und einfach zu detaillierten Reports. So kann sich die Führungskraft über das Dashboard beispielsweise anzeigen lassen, bei welchen Mitarbeiter*innen im ausgewählten Zeitraum erworbene Qualifikationen ablaufen, die fristgerecht erneuert werden müssen. Eine erhebliche Vereinfachung, die eine – in KMU häufig anzutreffende – Datenhaltung in Excel-Listen überflüssig macht.

Wir gehen weiter die Liste der neuen Features und Funktionen durch, aber uns wird klar, dass wir in diesem Rahmen nicht auf alles eingehen können. Mir fällt allerdings noch ein Aspekt ein, den ich mir mit Florian ein wenig genauer anschauen möchte: wie sind eigentlich die Abläufe innerhalb von Softwareentwicklung strukturiert und wer ist in welchen Phasen daran beteiligt, damit ein neues Feature bzw. ein komplettes Release entsteht?

In seiner Antwort geht Florian gedanklich noch einmal an den Anfang der Konzeptionsphase zurück: "Das aktuelle Release sollte eine erkennbare Fokussierung haben. Zwei neue Plugins richten sich vor allem an Führungskräfte und unterstützen deren Aufgaben im Controlling über ein ebenfalls neu entwickeltes Dashboard. Ausgangspunkt für die Entwicklung der Plugins war zunächst eine strategische Entscheidung der Geschäftsführung in Zusammenarbeit mit mir als Produktmanager. Ziel war es, cate auch für die Bedarfe kleinerer bis mittelständischer Unternehmen attraktiver und zielschärfer zu gestalten. Bei der konkreten Ausgestaltung haben wir unsere Kundenmanager*innen befragt, wo sie aus dem Feedback unserer Kunden wichtigste Bedarfe sehen. Hinzu kam der Input aus dem Vertrieb, der bei Vertragsverhandlungen häufiger auf die Verfügbarkeit eines solchen Dashboards angesprochen wurde."

Florian erzählt weiter, dass er anschließend aus dem gesammelten Input ein Grobkonzept entwickelt hat, dass in mehreren Iterationen zu einem Feinkonzept ausgearbeitet wurde. Innerhalb dieses Teilprozesses habe ich Wireframes erstellt, die es allen Beteiligten erleichtern, Klickwege und neue Funktionen besser zu verstehen. In weiteren Ausbaustufen und nun mit Unterstützung von cate-Entwickler*innen, wurden Bedienelemente und die Implementierung geplant und Mock-ups erstellt. In der Umsetzungsphase wurde anschließend das Gesamtkonzept in kleinere Pakete aufgeteilt, die parallel durch Entwickler*innen bearbeitet werden können. Ebenfalls parallel dazu schreiben Tester*innen Test Cases, die zur Qualitätssicherung der neuen Features benutzt werden. Die einzelnen Arbeitspakete werden in ein internes Ticketsystem überführt und dort detailliert im Umfang und im zu erwarteten Ergebnis beschrieben. In der nachfolgenden Entwicklungsphase kann so vom Produktmanager und den Entwickler*innen genau beurteilt werden, ob ein Teilbereich oder Element fertig ist und wie hoch der Erfüllungsgrad der Gesamtentwicklung ist. Dadurch erhöht sich im Projekt die Transparenz und Planbarkeit für alle Beteiligten.

Florian erklärt, dass dies für die Erarbeitung von Zeitplänen immens wichtig ist, und es dadurch erst möglich wird, Verzögerungen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Für das Produktmanagement bedeutet ein solcher Gesamtprozess eine wichtige Unterstützung, wenn es darum geht, gegenüber der Geschäftsführung und Kunden verlässliche Aussagen zu treffen. Gleichzeitig hilft die Modularisierung in Teilaufgaben der Entwicklung einen besseren Überblick zu behalten und die Entwicklungsphase besser zu strukturieren. Florian ergänzt noch zum Abschluss, dass es – trotz aller Planung – eigentlich immer passiert, sich für ein Release zu viel vorzunehmen und einzelne Funktionen oder Verbesserungen in die nächste Version verschoben werden müssen. Trotzdem merke ich, dass er mit der neuen Version von cate – nicht nur aus Produktmanager-Sicht – sehr zufrieden ist und ich bin mir sicher, dass es ebenso positiv von Kunden und Nutzer*innen angenommen wird. Auf meine Frage, ob Florian nach dem Go-Live erst einmal in den Urlaub geht, entgegnet er mir mit einem leichten Augenzwinkern, dass nach dem Release vor dem Release sei und er schon mitten in der Planung für cate 9 steckt.